Arbeitsplatz am Schreibtisch
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Arbeiten mit Depression: Trotz Anstrengungen funktionieren?!

Arbeitsplatz am Schreibtisch

In der Studie zur Mentalen Gesundheit bei der Arbeit (S-MGA) aus dem Bericht der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) gaben 70 % der Frauen an, trotz depressiver Symptomatik eher gute bis sehr gute Arbeitsfähigkeit zu besitzen, bei Männern waren es noch 56 %.1  Auf der anderen Seite führen psychische Erkrankungen wie Depressionen zu längeren Krankschreibungen im Beruf und auch jede 3. Frühberentung ist laut dem Deutschen Ärzteblatt auf eine dauerhafte, psychische Erkrankung zurückzuführen.2  Kann also Arbeiten während einer Depression funktionieren?

Vor- und Nachteile einer Arbeit

Arbeiten kann Fluch und Segen zugleich sein. Durch die Erwerbstätigkeit wird das psychische Wohlbefinden gestärkt. Sei es durch die finanzielle Sicherheit, eine Tagesstrukturierung, Aufbau und Erhaltung des Selbstbewusstseins und auch aufgrund der sozialen Kontakte zu Kolleg*innen.3  Auch eine Rückkehr in den Job nach einer depressiven Episode kann förderlich sein, sofern die Möglichkeit besteht und das Arbeitspensum für die Betroffenen vertretbar ist. Laut Ärzt*innen kann die Arbeit das Auftreten von depressiven Schüben verringern und neue Lebensperspektiven aufzeigen. Vereinfacht gesagt kann ein guter Job wie eine Therapie die Depression günstig beeinflussen. Auf der anderen Seite kann die Arbeit ein Platz für Stigmatisierung sein, wenn infolge einer Depression Aufmerksamkeit und Kräfte nachlassen und die geforderten Leistungen nicht erbracht werden können. Dazu gehört leider auch, dass Depressionen noch immer als Tabuthema gelten, viele Depressive daher nicht darüber sprechen wollen oder können. Zudem kann ein unsicherer Umgang der Arbeitgeber mit diesem Thema die Schwierigkeiten verstärken.3

Mögliche Lösungen für ein Arbeiten trotz Depression

Nach einer längeren Krankschreibung, z. B. aufgrund einer Depression, kann über das sogenannte „Hamburger Modell“ eine stufenweise Wiedereingliederung bis zur vollen Arbeitsbelastung erfolgen. Unabhängig, ob die gesetzlich versicherten Arbeitnehmer*innen in Voll- oder Teilzeit angestellt waren, können sie von diesem Modell profitieren. Voraussetzung ist, dass sie für sechs Wochen oder länger krankgeschrieben waren. 

Es besteht auch nach einem längeren Ausscheiden aus dem Beruf die Möglichkeit, sich in einer Orientierungsphase mittels Tests und unter psychologischer Betreuung über seine Interessen und die aktuelle Belastbarkeit klar zu werden. In einem nächsten Schritt können dann Kompetenzen und Stärken, die durch die Tests ans Tageslicht gekommen sind, zu Neuausrichtungen innerhalb der bisherigen Arbeitsstelle führen oder eine größere Neuorientierung folgen.2 Auch der zeitliche Rahmen, in dem Arbeiten durchgeführt werden, kann möglicherweise angepasst werden. Studien in der berufstätigen Bevölkerung legen Zusammenhänge nahe, wonach Schichtarbeit das Risiko für die Entstehung oder Verschlimmerung einer Depression erhöhen können. Ein Wechsel in die Tagschicht kann positive Effekte haben.5

Wer nach einer depressiven Episode plant, in den Berufsalltag zurückzukehren sollte sich die Fragen stellen, ob sein Tagesrhythmus inklusive regelmäßiger und durchgängiger Schlafzeiten, eine solche Belastung zulässt. Begleitend sollten psychotherapeutische Unterstützungsangebote wahrgenommen und ggf. eine medikamentöse Einstellung bei einer mittel- bis schweregradigen Depression erfolgen.

Infokasten: Tipps rund um Depressionen am Arbeitsplatz
  • „Jein“: Soll ich meine Depression thematisieren oder es besser lassen? Diese Frage kann man sich nur selbst beantworten. Abhängig vom Vertrauensverhältnis sollten die Vorgesetzten bzw. Kolleg*innen darüber informiert werden. So können sie sich bestimmte Verhaltensweisen, z. B. Unaufmerksamkeit oder langsameres Arbeiten erklären und damit umgehen bzw. diese einplanen.
     
  • Die Last verteilen! Wenn die Krankheit bei Vertrauenspersonen im Unternehmen bekannt ist, sollten die Ressourcen in Ihrem Arbeitsbereich gut verteilt sein. So können Kolleg*innen Aufgaben übernehmen, sollte es doch mal zu viel werden. Dieser Punkt ist daher wichtig, um Leistungsdruck herauszunehmen, der in dieser Zeit äußerst kontraproduktiv bei einer Depression wäre.2
     
  • Nichts überstürzen! Treffen Sie keine unüberlegten Entscheidungen hinsichtlich Ihrer Arbeit, sei es durch eine Kündigung oder den Wechsel des Arbeitsplatzes. Solche Entschlüsse sollten wohlüberlegt sein. Besprechen Sie sie im Zweifelsfall mit Familienmitgliedern oder Freunden, die mögliche „Schnellschüsse“ abwenden können.
     
  • Expert*innen befragen! Im Rahmen von Gesundheitstagen können Sie Ihre Vorgesetzten bitten, dass Referent*innen, z. B. von einer Krankenkasse, Ihre Kolleg*innen zu diesem Thema aufklären. Auch so kann dem Thema Depressionen am Arbeitsplatz ein größerer Stellenwert eingeräumt und Stigmatisierung entgegengewirkt werden.

 

Quellen

  1. Rose U et al. Arbeit und Mentale Gesundheit. Ergebnisse aus einer Repräsentativerhebung der Erwerbstätigen in Deutschland. Forschung Projekt F 2250 der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hrsg.). Dortmund, Berlin, Dresden. 2016; 51. DOI: 10.21934/baua:bericht20160805.
  2.  https://www.zdf.de/verbraucher/volle-kanne/volle-kanne-trotz-depression-im-job-100.html (letzter Aufruf: 17.5.21).
  3.  Mernyi L et al- Berufstätigkeit und Rückkehr an den Arbeitsplatz bei stationär-psychiatrisch behandelten Patienten. Psychiatr Prax. 2018; 45(4): 197-205. DOI: 10.1055/s-0043-101901.
  4. https://www.test.de/Hamburger-Modell-So-gelingt-der-stufenweise-Einstieg-4316090-0/
  5. Angerer P et al. Nachtschichtarbeit und Risiko für Depressionen. Ein systematisches Review. Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 404-11; DOI: 10.3238/arztebl.2017.0404.