Schlaf und Depression
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Schlaf und Depression: Symptom, Risikofaktor und Therapie zugleich

Schlaf und Depression

Wer unter Schlaflosigkeit leidet, kennt es: man wälzt sich nachts stundenlang hin und her und kann nicht schlafen. Oft ist akuter Stress, zum Beispiel Streit oder eine wichtige Prüfung, der Auslöser. Wird die Schlaflosigkeit allerdings zum Dauerzustand, kann dies Auswirkungen auf Wohlbefinden und Gesundheit haben. So kommt es nicht von ungefähr, dass eines der häufigsten Symptome bei Depressionen Schlafstörungen sind.1 Nicht selten können Schlafstörungen auch ein beitragender Faktor einer Depression sein, sie sind also Symptom und Risikofaktor zugleich.2,3 

Wie unterscheidet sich der Schlaf bei einer Depression?

Doch wo liegen eigentlich die Unterschiede beim Schlaf einer depressiven Person im Vergleich zu einem gesunden Individuum? Unterschiede zeigen sich besonders in den sogenannten REM ( Rapid-Eye-Movement)-Phasen des Schlafes. Dies sind die Phasen, in denen wir träumen. Bei Menschen mit Depressionen fällt auf, dass die erste REM-Phase der Nacht oft deutlich früher auftritt und meist auch länger ist als bei einem gesunden Schlaf. Tiefschlaf-Phasen hingegen sind bei depressiven Menschen kürzer oder bleiben ganz aus.1,2

Hormone – kleine Botenstoffe mit großer (Schlaf-)Wirkung

Ein weiterer Unterschied beim Schlaf-Vergleich depressiver und gesunder Menschen zeigt sich bei näherer Betrachtung verschiedener Hormone. Dies sind körpereigene Botenstoffe, welche körperliche Prozesse, wie zum Beispiel den weiblichen Menstruationszyklus, steuern und auch an der Schlafregulation beteiligt sind. In der ersten Nachthälfte werden bei einem gesunden Individuum besonders viele Wachstumshormone vom Körper produziert. Dies korreliert mit einem hohen Tiefschlafanteil. In der zweiten Nachthälfte übernimmt das Hormon Kortisol, ein wichtiges Stresshormon, das Steuer und die Wachstumshormone nehmen wieder ab. Dies geht mit einem erhöhten Anteil an REM-Schlaf einher.1,2 Bei depressiven Patienten unterscheiden sich die Mengen an Wachstumshormonen und Kortisol stark von denen gesunder Menschen. Neben weniger Wachstumshormonen in der ersten Nachthälfte steigen die Kortisol-Werte in der zweiten Nachthälfte viel stärker an. Bei einer erfolgreichen Therapie sinkt der Kortison-Spiegel, auch wenn der Schlaf oft noch eine Weile gestört bleibt.1,2

Schlafentzug als Form der Therapie

Auch wenn es zunächst widersprüchlich erscheint, Schlaf, oder vielmehr Schlafentzug, kommt auch als Form der Depressionstherapie zum Einsatz. Therapeutischer Schlafentzug, auch Wachtherapie genannt, wirkt nachweislich antidepressiv, da der Körper unter Schlafentzug mehr stimmungsaufhellende Stoffe produziert.2,5 Patienten machen ca. zwei bis drei Mal die Woche die Nacht durch oder werden sehr früh morgens geweckt, um dann erst am Abend wieder wie gewohnt ins Bett zu gehen. Bei sechs von zehn Patienten verbessert sich die Stimmung schon nach einer schlaflosen Nacht.5 Da die Wachtherapie jedoch keine Dauerlösung ist und bereits nach einer durchschlafenen Nacht eine Rückfallrate von etwa 80 % besteht, kommt oft die sogenannte Schlafphasenvorverlagerung zum Einsatz. Durch das gezielte Verschieben der Bettruhe um täglich eine Stunde, bis eine Schlafenszeit von 23:00 bis 6:00 Uhr erreicht ist, können Rückfälle meist stark reduziert werden.5

Schlafhygiene – kleine Tipps für den Alltag

Schlafhygiene beschreibt Verhaltensweisen, die zu einem besseren und gesünderen Schlaf beitragen können. So können zum Beispiel möglichst regelmäßige Zeiten des Zubettgehens und Aufstehens beim Ein- und Durchschlafen helfen. Zudem kann das Vermeiden von zu langem Schlafen (bei Erwachsenen mehr als 7 – 8 Stunden/Tag, individuell unterschiedlich) oder das Weglassen eines Mittagschlafes helfen. Auch im Punkt Ernährung kann man den Schlaf unterstützen. Es wird empfohlen nachmittags und abends keine koffeinhaltigen Getränke zu trinken sowie weitestgehend auf Alkohol zu verzichten. Außerdem kann es helfen, abends etwas Leichteres und keine großen Mengen zu essen, da der Verdauungsprozess den Einschlafprozess stören kann. Störende Lichtquellen sollte man aus dem Schlafzimmer entfernen, dazu gehören auch Fernseher und Smartphone. Sport und Bewegung sowie eine angenehme Schlafumgebung sind zusätzliche Faktoren, die beim Schlafen helfen können.3

Genau wie eine Depression ist auch der Schlaf facettenreich und individuell. Zum einen können eine gesunde Schlafhygiene sowie therapeutischer Schlafentzug bei Depressionen helfen, zugleich ist eine gestörte Nachtruhe eines der häufigsten Symptome oder Risikofaktor einer Depression.2,3,5 Wichtig bei der Behandlung einer Depression ist ein ganzheitlicher therapeutischer Ansatz, der von einem Arzt und/oder Psychotherapeuten betreut werden sollte.


Quellen:

  1. Beck J. Schlaf-EEG-Marker als Entscheidungshilfe bei der Therapieplanung, Psychatrie & Neurologie 3/2015, https://www.rosenfluh.ch/media/psychiatrie-neurologie/2015/03/Schlaf-EEG-Marker-als-Entscheidungshilfe.pdf(letzter Zugriff: 08.08.2022)
  2. https://www.mpg.de/10784189/depression-und-schlaf(letzter Zugriff: 08.08.2022)
  3. Zeising, M. et al. Der Nervenarzt 2022; 93:313-324
  4. Thom J et al. Robert Koch-Institut, Berlin; Journal of Health Monitoring 2017; 2(3) 
  5. https://www.spektrum.de/news/wachtherapie-bei-depressionen/1415757(letzter Zugriff: 08.08.2022)