Älteres Pärchen
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Herr Oswald S. (ist ü. 70) und erhielt vor über 15 Jahren die Diagnose Depression.

Älteres Pärchen

Leben & Fühlen mit Depression – Ein Patient berichtet (Herr Oswald S. 70 Jahre)

Oswald S ist Mitte 70 und lebt zusammen mit seiner Frau in Norddeutschland. 2007, also vor über 15 Jahren erhielt er die Diagnose Depression. Zwei medikamentöse Therapieversuche blieben erfolglos – Mediziner sprechen in diesem Fall von einer sogenannten therapieresistenten Depression. Daher wurde er 2009 auf ein drittes Antidepressivum, einen MAO-Hemmer umgestellt, mit dem sich Erfolge zeigten. Wie er diese Zeit erlebte und wie es ihm heute geht, berichtet er im Interview.

Hallo Herr S., vielen Dank, dass Sie Ihre Erfahrungen mit uns teilen. 
Sie haben im Jahr 2007 die Diagnose „Depression“ erhalten – was waren die ersten Gedanken, die Ihnen damals durch den Kopf gingen?

Es waren gemischte Gefühle: auf der einen Seite Erleichterung über die Klarheit, die ich bekam, auf der anderen Seite aber natürlich auch ein Schock.

Wer hat die Diagnose gestellt? Und welche psychischen Veränderungen hatten Sie zur damaligen Zeit an sich wahrgenommen, die dazu geführt haben, dass Sie sich an einen Arzt gewandt haben?

Die Diagnose hat ein Facharzt, also ein Psychiater, gestellt. Ich hatte damals gemerkt, dass ich mich nicht mehr freuen konnte. Meine Gefühle waren eingeschränkt. Ich hatte Angstzustände. Dass ich eine Depression haben könnte, habe ich aber zunächst nicht wahrhaben wollen. Diesen Gedanken habe ich erstmal weggeschoben. Und ich bin auch nicht aus eigenem Antrieb zum Arzt gegangen. Meine Frau hat mich ermutigt, doch einen Arzt aufzusuchen – was ich dann schließlich auch gemacht habe. 

Wie hat Ihre Familie und auch Kollegen darauf reagiert?

Der Umgang der Familie damit war sehr verständnisvoll und auch sehr sensibel – weil sie eben die Depression schon vorher erkannt haben. Und ich selbst war es ja, der sie verdrängt hatte und sie nicht wahrhaben wollte. 
In Bezug auf meinen Ausfall damals noch im Beruf ist das schwierig zu beantworten – da das erste längere Fehlen schon etwas zurücklag. Aber mir ist nichts zu Ohren gekommen über irgendwelche unpassenden Bemerkungen. Man hat mich eigentlich zum Glück kaum anders behandelt als vorher. Also kann ich da eher nur Positives sagen. Ich glaube auch, dass zu der damaligen Zeit die Akzeptanz für Depressionen als Krankheit schon besser ausgeprägt war, als noch in den 1970er, 80er und 90er Jahren.

Wie ging es dann nach der Diagnose weiter?

Ich bin dann, weil meine damalige Krankheit so heftig war, gleich in eine Klinik aufgenommen und auf ein Antidepressivum eingestellt worden.

Es erfolgte noch eine Umstellung auf ein zweites Antidepressivum – wobei dieses bei Ihnen auch nicht anschlug. Mediziner sprechen dann von einer so genannten Therapieresistenten Depression – wenn nach zwei Therapieversuchen mit Antidepressiva unterschiedlicher Wirkstoffklassen keine Behandlungserfolge erzielt werden können.

Können Sie uns den Therapieverlauf schildern?

Ja, da habe ich dann zunächst einen sogenannten selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer bekommen und danach eine kurze Zeit lang ein tetrazyklisches Antidepressivum eingenommen. Damit wurde die Depression zwar geringfügig besser, aber bei weitem nicht ausreichend genug, wenn man bedenkt, wie schwer die Depression war, in der ich steckte. Natürlich war es nicht sehr angenehmen, als sich herausstellte, dass keines der bisherigen Medikamente mir wirklich geholfen hat. Ab Januar 2009 erhielt ich dann einen MAO-Hemmer.

Und wie geht es Ihnen heute mit Ihrer Therapie?

Heute geht es mir gut – wirklich gut. Ich habe aktuell auch keine weitere Depressionsepisode bekommen. In diesem Jahr hatte ich zwar schon mal einen Durchhänger; es wurde aber keine richtige Episode. Ich bin sogar ziemlich unternehmungslustig im Moment. Aber ohne jetzt ins Gegenteil umgeschlagen. Das habe ich auch schon erlebt in all den Jahren. Na ja, und dann hoffe ich natürlich, wenn sich wieder eine Depression ankündigt, dass ich so früh wie möglich die Anzeichen erkenne und über meinen Psychiater gegensteuere.

„Heute geht es mir gut – wirklich gut […] Ich bin ziemlich unternehmungslustig im Moment.“

Mit Blick auf Ihre eigenen Erfahrungen, gibt es etwas, was Sie Betroffenen mit einer Depression mitgeben wollen?

Ja, vor allen Dingen kann ich nur sagen: Versucht frühzeitig die Anzeichen einer Depression zu erkennen. Es würde jetzt zu weit führen, alle Anzeichen aufzuzählen, zumal eine Depression auch von Mensch zu Mensch ganz verschieden ausgeprägt sein kann. Ja, es ist eine psychische Erkrankung und es ist der erste und wichtigste Schritt zu erkennen, dass man zum Facharzt gehen muss. Und der wird euch die richtige Therapiemöglichkeit näher bringen – eine medikamentöse oder auch an einen Psychotherapeuten weiterleiten. Das sollte man auf jeden Fall machen.

Vielen Dank für das Gespräch!